L’acte d’échange, du VIIe au XIIe siècle – Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert

L’acte d’échange, du VIIe au XIIe siècle – Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert

Organisatoren
Irmgard Fees, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München; Philippe Depreux, Faculté des Lettres et des Sciences humaines, Université de Limoges
Ort
Limoges
Land
France
Vom - Bis
11.03.2010 - 13.03.2010
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Von
Thomas Kohl, Historisches Seminar, Universität Tübingen

Vom 11. bis 13. März 2010 fand in Limoges eine von Irmgard Fees (Ludwig-Maximilians-Universität München, LMU) und Philippe Depreux (Universität Limoges/IUF) veranstaltete internationale Tagung zum Thema „L’acte d’échange, du VIIe au XIIe siècle – Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert“ statt und griff damit ein bislang weitgehend vernachlässigtes Thema der früh- und hochmittelalterlichen Geschichte auf. Dabei wurden die Regionen des Karolingerreichs sowie seiner Nachfolger und die benachbarten Gebiete sowohl aus der Perspektive der Diplomatik als auch der Sozial-, Rechts-, Politik- und Wirtschaftsgeschichte vergleichend betrachtet.

Nach der Einführung in das Thema der Tagung durch die Veranstalter, die auf die großen Unterschiede in der Überlieferung von Tauschurkunden in Europa und den (mangelhaften) Forschungsstand hinwiesen, beschäftigte sich die erste Sektion mit den Grundlagen des Tauschgeschäfts im früh- und hochmittelalterlichen Europa.

STEFAN ESDERS (Berlin) wies in seinem Vortrag über den Tausch in normativen Quellen auf die Unterschiede zwischen dem Umgang mit Tauschgeschäften in den spätantiken Rechtsquellen und ihrer Weiterentwicklung im frühen Mittelalter hin. Dabei stellte er fest, dass die in der Antike nicht bindenden Tauschgeschäfte im frühen Mittelalter mit Verkäufen gleichgestellt und damit bindend wurden. Daneben stellte er eine Entwicklungslinie dar, in der spätantike Gesetze zur Verhinderung der Entfremdung von Fiskalgütern auf Kirchengüter übertragen wurden. Dies führte letztlich zur völligen Unveräußerlichkeit von kirchlichem Eigentum. Der Tausch war in diesem Zusammenhang eine von mehreren Praktiken, mit denen dieses Verbot zu umgehen war.

PHILIPPE DEPREUX (Limoges/IUF) untersuchte in seinem Vortrag an zahlreichen Beispielen aus dem frühen und hohen Mittelalter die Rolle der fränkisch-deutschen Herrscher in den Tauschgeschäften der Kirchen. Dabei warf er unter anderem die Frage auf, inwiefern der Status des Tauschenden die königlichen Bestätigungen von Tauschgeschäften beeinflusste.

Die zweite Sektion beschäftigte sich mit Italien, das – abgesehen von Bayern – die umfangreichste Überlieferung von Tauschgeschäften bietet. FRANCOIS BOUGARD (Paris Ouest - Nanterre la Défense) stellte die erheblichen regionalen und diachronen Unterschiede dar: Während im Piemont ein Drittel aller überlieferten Privaturkunden Tauschgeschäfte dokumentiert wurden, waren es in der Toskana nur 8 %. Obwohl sie eigentlich an utilitas, ratio und congruitas gebunden waren, gerieten kirchliche Tauschgeschäfte immer wieder in den Verdacht, zum Schaden der Kirchen abgeschlossen worden zu sein. IRMGARD FEES (München) untersuchte anschließend das Veneto und stellte für diese Region ein völliges Fehlen von Tauschgeschäften vor dem Jahr 1000 fest; auch später waren Tauschgeschäfte in dieser Region selten, weshalb sich auch kein spezielles Tauschformular entwickelte. Die Gleichwertigkeit der getauschten Güter wurde hier durch aestimatores bestätigt und eventuelle Wertunterschiede in Geld ausgeglichen. MARCO STOFFELLA (Verona) griff noch einmal die umfangreiche Überlieferung der Toskana auf und beobachtete anhand von Material aus Lucca, Pisa und S. Salvatore al Monte Amiato, dass sich die Tauschgeschäfte im 11. Jahrhundert zunehmend in einer Elite aus der bischöflichen Klientel und der regionalen Aristokratie konzentrierten, während sie zuvor in der gesamten landbesitzenden Gesellschaft verbreitet waren. EMANUEL HUERTAS (Versailles – Saint-Quentin) beschäftigte sich anschließend mit Doppelausstellungen von Tauschurkunden in Italien und konnte für Lucca über die Untersuchung der Notare die Genese des Tauschformulars darlegen. Dabei schlug er den Begriff der „actes en mirroir“ („gespiegelte Urkunden“) für die nicht textgleichen, sondern jeweils aus der Sicht eines Partners verfassten Exemplare vor.

In der dritten Sektion wurden die Regionen östlich des Rheins, beginnend mit Alemannien behandelt. HANS-WERNER GOETZ (Hamburg) beobachtete anhand den St. Galler Urkunden einen rapiden Anstieg der Tauschgeschäfte ab 843, wobei der Höhepunkt um 900 erreicht wurde. Dabei zeigte er, dass es dort keine scharfe begriffliche Trennung zwischen echtem Tausch und unechtem Tausch mit prekarischem Charakter gab, beide wurden als concambium bezeichnet; getauscht wurden wie in den meisten anderen Regionen vor allem Grundbesitz, seltener Kirchen und Unfreie.

Mit Bayern, der Region, die neben Italien die bei weitem umfangreichste Überlieferung von Tauschurkunden bietet, beschäftigten sich THOMAS KOHL (Tübingen) und GENEVIÈVE BÜHRER-THIERRY (Paris Est – Marne-la-Vallée). Beide stellten fest, dass es – wie in Alemannien – um die Mitte des 9. Jahrhunderts einen starken Anstieg an Tauschurkunden gab, offenbar als Reaktion auf die abnehmende Zahl der Schenkungen. Um die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert machten sie den weitaus größten Anteil der Überlieferung aus. Zunächst gab Thomas Kohl einen Überblick über die ca. 400 überlieferten Tauschgeschäfte der bayerischen Kirchen außer Freising aus der Zeit vor 1100 und wies auf spezielle Tauschstrategien einzelner Bischöfe hin, die zumindest dem Wortlaut der Urkunden nach so gut wie nie weniger erhielten als sie vergaben. Geneviève Bührer-Thierry behandelte anschließend das Beispiel Freising, beschrieb die Entwicklung eines eigenen – zumeist doppelt ausgestellten – Formulars in der Zeit nach 845 und konnte zeigen, dass, während im 9. Jahrhundert die meisten Tauschpartner hochrangig waren, gegen Ende des 10. Jahrhunderts vermehrt servi ecclesiae erscheinen.

Nur wenige Tauschgeschäfte konnte MARK MERSIOWSKY (Graz) untersuchen, der Westfalen behandelte. Trotz der schwachen Überlieferungslage konnte er zeigen, dass Tauschgeschäfte durchaus gebräuchlich, wenn auch nicht besonders häufig waren. Zudem scheinen sie schlechtere Überlieferungschancen gehabt zu haben und wurden offenbar kaum gefälscht. Im Thüringen des 12. Jahrhunderts wurden sie dagegen, wie STEFAN TEBRUCK (Gießen) zeigte, in der Zisterze Pforte systematisch gefälscht, um Grangien aufbauen zu können. Auch andere Zisterzienserklöster nutzten hier Tauschgeschäfte, um vollständige Siedlungen in ihre Hand zu bekommen.

ELIANA MAGNANI (CNRS, Dijon) und GERALDINE DAIMON (Poitiers) eröffneten die Sektion „Südfrankreich und die Iberische Halbinsel“ mit Beiträgen über Burgund sowie das Poitou und Anjou. Eliana Magnani untersuchte anhand digitalisierter Urkundenbestände die semantischen Felder der Tauschbegriffe commutatio, concambiatio etc. und stellte ein allmähliches Einsickern der gesprochenen Sprache (zum Beispiel scambio) in die Urkundenformulare fest. Geraldine Daimon untersuchte die – recht seltenen – Tauschgeschäfte in Anjou sowie im Poitou und beobachtete im Zusammenhang mit der Entstehung der Seigneurien im frühen 11. Jahrhundert einen Anstieg der Überlieferung von Tauschurkunden.

URSULA VONES-LIEBENSTEIN (Frankfurt), LUDWIG VONES (Köln) und WENDY DAVIES (London) beschäftigten sich anschließend mit den Tauschgeschäften des Languedoc und Nordspaniens. Ursula Vones-Liebenstein stellte für die Kirchenprovinz Narbonne fest, dass auch hier Tauschgeschäfte genutzt wurden, um das Alienationsverbot für Kirchengut zu umgehen und um Besitz zu arrondieren. Die rechtliche Gleichwertigkeit des Tauschs mit dem Kauf wurde noch im 11. Jahrhundert in den Arengen häufig mit Zitaten aus dem Codex Euricianus festgehalten. Im 12. Jahrhundert gingen die Tauschgeschäfte stark zurück. Auch Ludwig Vones, der den katalanischen Raum untersuchte, konnte anhand einer Formularsammlung des 10. Jahrhunderts aus dem Kloster Ripoll, das eine Vorlage für einen Tausch zwischen einer Kirche und einem Laien enthält, nachweisen, dass auf das westgotische Recht Bezug genommen wurde. Die insgesamt ca. 450 überlieferten Tauschurkunden zwischen 900 und 1100 zeigen die Gebräuchlichkeit dieser Form, wenn auch mit erheblichen Schwankungen: Ihren Höhepunkt erreichten sie um das Jahr 1000 als offenbar besonders geeignetes Mittel der Herrschaftsarrondierung. Wendy Davies beschäftigte sich im Anschluss mit den Urkunden des Königreichs Asturien-León aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Im 10. Jahrhundert behandelten dort weniger als vier Prozent der fast 2000 überlieferten Urkunden Tauschgeschäfte, im 11. Jahrhundert lag der Anteil geringfügig höher. Stets ging es um Grundbesitz, manchmal (vor allem von Klöstern) um einige Mobilien erweitert. Zudem stellte sie fest, dass fast die Hälfte der Tauschgeschäfte von bäuerlich lebenden Freien durchgeführt wurde.

In der letzten Sektion „Zwischen Seine und Rhein“ wurden die Tauschgeschäfte des fränkischen Kernraums betrachtet, die insgesamt nur einen kleinen Anteil der Überlieferung ausmachen. Dies gilt für das nördliche Frankreich, das BENOÎT TOCK (Straßburg) untersuchte, ebenso wie für Flandern, wie GEORGES DECLERQ (Brüssel) darlegte. Für beide Fälle gilt jedoch, dass die urkundliche Überlieferung erst im 12. Jahrhundert einen größeren Umfang erreichte. Benoît Tock stellte fest, dass der Anteil der Tauschurkunden in dieser Zeit abnahm, und stellte dies in den Kontext einer stärkeren Monetarisierung der Region seit dem 11. Jahrhundert, die den einfacher zu handhabenden (Ver)Kauf von Grundbesitz in größerem Umfang möglich gemacht habe. Georges Declerq konnte dagegen nachweisen, dass Tauschgeschäfte in Flandern im 12. Jahrhundert ein wichtiges Mittel der Territorialpolitik der Grafen waren, die so ihre Position in zuvor nur schwach durchdrungenen Randgebieten wie dem Brabant zu stärken versuchten. BRIGITTE KASTEN und KATHARINA GROß (Saarbrücken) beschäftigten sich mit den Lothringischen Tauschurkunden und zeigten, dass hier eine prekarische Landleihe mit einem Tausch gleichgesetzt werden konnte, was jedoch aus Missverständnissen bei der Rezeption von fränkischen Exzerpten der Epitome Iuliani resultierte. Zuweilen nahmen die Tauschgeschäfte auch den Charakter einer Hypothek an, wenn Grundstücke gegen Geld eingetauscht und durch eine Rückzahlung wieder ausgelöst wurden.

Zum Abschluss der Tagung behandelte MICHEL MARGUE (Luxemburg) die Tauschurkunde der Mönche von St. Maximin mit dem Grafen Siegfried von 963, die mit ihrer Ersterwähnung der Luxemburg seit dem 19. Jahrhundert ein wesentliches Element in der Konstruktion einer luxemburgischen Identität darstellt. Er ordnete sie in den Kontext der von Fälschungen dominierten St. Maximiner Urkunden der Zeit ein, ging jedoch grundsätzlich von einer Echtheit der Urkunde aus.

Insgesamt zeigte die vergleichende Betrachtung erhebliche Unterschiede im Vorkommen und in der Ausgestaltung von Tauschurkunden. Dabei gehen die Unterschiede sicherlich zum Teil auf Überlieferungsprobleme zurück, jedoch ist anzunehmen, dass in Bayern, in Teilen Italiens und möglicherweise in Alemannien Tauschgeschäfte tatsächlich eine höhere Bedeutung hatten als anderswo. Auch im diachronen Vergleich zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Es ist sicherlich eine Aufgabe zukünftiger Forschung, Erklärungen für die im Laufe der Tagung festgestellten Differenzen zu finden. Es zeigte sich, dass gerade in Gebieten, in denen Tauschgeschäfte häufig vorkamen, auch die terminologische Trennung zwischen Tausch und anderen Formen der Besitzübertragung wie der Prekarie und dem (Ver)Kauf vergleichsweise scharf gehalten wurde.

Wozu diente der Tausch? Ein klarer Zusammenhang zwischen der Existenz einer komplexen Geldwirtschaft und dem Vorkommen von Tauschgeschäften lässt sich nicht erkennen, wenn auch die Gleichstellung des Tauschs mit dem Kauf im Übergang zum frühen Mittelalter sicherlich mit einem Rückgang des Geldumlaufs zusammenhing. Sehr häufig wurden Tauschgeschäfte zur Arrondierung von Grundbesitz und zur Erweiterung von Herrschaften genutzt. Deutlich ist auch, dass der Tausch offenbar als ein probates Mittel galt, das Alienationsverbot für Kirchengut zu umgehen. Grundsätzlich galt die Gleichwertigkeit der getauschten Güter als Bedingung für einen Tausch, obwohl ungleiche Tauschgeschäfte durchaus üblich waren – in Bayern zumeist zum Vorteil der Kirche, in Frankreich und Spanien häufig zu ihrem Nachteil.

Konferenzübersicht:

Philippe Depreux (Limoges/IUF) & Irmgard Fees (München): Présentation de la thématique du colloque / Einführung in die Thematik des Kongresses

Stefan Esders (Berlin): Die normativen Quellen

Philippe Depreux (Limoges/IUF): Le souverain, maître de l'échange?

Francois Bougard (Paris Ouest - Nanterre-La Défense): Commutatio, cambium, viganeum, vicariatio: l'échange foncier dans l'Italie des VIIIe-XIe siècles

Irmgard Fees (München): Venedig und das Veneto

Marco Stofella (Verona): Gli scambi di beni nella Toscana occidentale tra VIII e XI secolo. Lucca e Pisa: due esempi a confronto

Emanuel Huertas (Versailles - Saint-Quentin): Due cartule commutationis ad unum tenorem. La double expédition des actes d'échange en Italie (Xe-XIIe s.): une technique notariale instable?

Hans-Werner Goetz (Hamburg): Die St. Galler Tauschurkunden

Thomas Kohl (Tübingen): Pro ambarum utilitate. Tauschgeschäfte und Tauschstrategien in Bayern vom 8. bis 11. Jahrhundert

Geneviève Bührer-Thierry (Paris Est - Marne-la-Vallée): De la traditio à la commutatio: sens et pratiques de l'échange à Freising du VIIIe au XIe siècle

Mark Mersiowsky (Innsbruck): Tauschurkunden und Tauschgeschäfte in Westfalen bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts

Stefan Tebruck (Gießen): Beobachtungen zum Besitztausch thüringischer Klöster im 12. Jahrhundert

Eliana Magnani (CNRS, Dijon): L'échange dans la documentation diplomatique bourguignonne: autour d'un champ sémantique

Géraldine Damon (Dieppe / Poitiers): Pro ambarum parcium utilitatibus: l'acte d'échange dans le Poitou et l'Anjou (VIIIe -XIe s.)

Ursula Vones-Liebenstein (Frankfurt): Qui utiliter commutat, nullatenus alienat. Vom Tausch über die Schenkung zur Restitution: Kirchengut im Languedoc

Ludwig Vones (Köln): Zwischen Tausch und Teilung: Betrachtungen zu Besitz- und Herrschaftsstrukturen in Katalonien vom 9.-11. Jahrhundert

Wendy Davies (London): Commutare and concambiare in charters of the kingdom of Asturias-León, 9th - 11th centuries

Benoît-Michel Tock (Strasbourg): Les échanges de biens dans les actes du Nord de la France (Xe-XIIe s.)

Georges Declercq (Bruxelles): L'échange en Flandre (VIIIe-XIIe s.)

Brigitte Kasten / Katharina Groß (Saarbrücken): Tausch- und Prekarieurkunden im nördlichen Lotharingien bis 1100

Michel Margue (Luxembourg): De l'acte d'échange au mythe: l'acte d'échange de 963/987 entre l'abbaye Saint-Maximin de Trèves et le comte Sigefroid dans son contexte diplomatique et paléographique régional


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